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Bipolare Störung vs. "Gemeinschaft der Mitte"

Depression aus der Sicht eines Muslims

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Bipolare Störung vs. "Gemeinschaft der Mitte"

Bipolare Störung und auslösende Faktoren
In diesem Artikel lade ich euch Leser/innen dazu ein, zusammen das Thema anzugehen, welche Bedeutung die bipolare Störung für die Muslime hat. Bevor wir uns mit der bipolaren Störung befassen, die sich aus zwei gegensätzlichen Symptomatik zusammensetzt, wollen wir uns ansehen, wie unser Schöpfer und sein Gesandter uns Muslime beschreiben:
„Und so haben Wir euch zu einer Gemeinschaft der Mitte gemacht, damit ihr Zeugen über die (anderen) Menschen seiet und damit der Gesandte über euch Zeuge sei…“ (Al-Baqara, 2:143)
“Haltet Mittelmaß, bemüht euch eure ‎Taten zu vervollkommnen und Allah nahe ‎zu sein.” (Al-Bukhari, Riqaq 18)
Allah und sein Gesandter bezeichnen die Muslime als „Gemeinschaft der Mitte“, was auf Arabisch „ummatun wasatun“ heißt.
Gesellschaft der Mitte heißt demzufolge; eine Gemeinschaft, die sich von Extremen fernhält. D.h. sie unterlassen Taten/Handlungen die sowohl über als auch unter dem Maß des Erforderlichen und Gebotenen sind.
 
Wie könnte die Bezeichnung der Muslime als „Gemeinschaft der Mitte“ mit der bipolaren Störung in Verbindung gebracht werden?
Hierzu wollen wir uns mit der Beschreibung der bipolaren Störung beschäftigen, die früher auch „manische Depressionsstörung“ genannt wurde.
Bipolare Störung ist eine psychische Störung, die sich aus zwei gegensätzlichen Polen; der Depression und der Manie zusammensetzt.
Die Depressionsstörung hatten wir bereits in unserem letzten Artikel behandelt. Daher wollen wir im Folgenden kurz ein paar Symptome wiedergeben, die bei Depressionsstörungen auftreten; Niedergeschlagenheit, Trauer, Wertlosigkeits- und Schuldgefühle, Energieverlust, Interessenverlust, Schlafprobleme, Appetitprobleme, Konzentrations- und Aufmerksamkeitsprobleme etc.
 
Beim entgegengesetzten Pol zur Depression, also bei der Manie treten gegensätzliche Symptome wie „Stimmungshoch oder gereizte Stimmung, Emotionale Erregung mit Euphorie oder Gereiztheit, Redefluss, Unruhe, vermehrtes Risikoverhalten und Kontaktbedürfnis, Impulsivität, Abbau sozialer Hemmungen, Aggressivität, Leichtsinn, übertriebene Unternehmungslust, Antriebssteigerung, Energieüberschuss, Beschäftigungsdrang, Selbstüberschätzung, Sprunghaftigkeit, weniger Schlaf etc.“
 
Die Statistiken zeigen, dass die Jahreszeit bei der bipolaren Störung auch eine Rolle spielt. Während im Winter häufiger depressive Episoden beobachtet werden, treten im Sommer häufiger manische Episoden auf.
Die Auslöser für eine bipolare Störung können unter anderem traumatische Erlebnisse wie Arbeitsverlust, Stresserlebnis, Verlust bzw. schwerer Krankheitsverlauf eines Familienmitglieds etc. sein.
Jedoch bekommt nicht jeder, der traumatische Erfahrungen macht, eine bipolare Störung. 
Was können also noch auslösende Gründe für diese Störung sein? An dieser Stelle wollen wir die genetischen und physiologischen Faktoren etwas anreißen.
Wenn in der Verwandtschaft ersten Grades bipolare Störung vorhanden ist, ist genetisch gesehen die Wahrscheinlichkeit daran zu erkranken hoch.
Physiologisch gesehen ist die Wahrscheinlichkeit des Erkrankungsrisikos hoch, wenn Veränderungen im Neurotransmitterhaushalt vorliegen. D.h. wenn der Stoffwechsel verschiedener Neurotransmitter wie Serotonin und Dopamin im Gehirn gestört ist.
Im nächsten Teil dieses Artikels werden wir uns mit den Behandlungsmethoden der bipolaren Störung befassen und der Frage nachgehen, wie wir Muslime die bipolare Störung mit der Eigenschaft „Gemeinschaft der Mitte“ zu sein in Verbindung bringen können.
 
 

Depression aus der Sicht eines Muslims

Depression und auslösende Faktoren

Ein Psychiater erklärt, dass nicht die Ereignisse selbst unser Leben bestimmen, sondern unsere Bewertungen dieser Ereignisse. Es ist nicht schwierig diese Feststellung nachzuvollziehen; während einige, die Verluste erleben, Depression bekommen, weisen einige, die denselben Verlust erleben keine Depressions-Symptome auf. Aber warum ist das so, dass Leute, die dasselbe oder ähnliche erleben, unterschiedlich darauf reagieren? Hängt es tatsächlich vom eigenem Bewertungsmuster ab, ob sich jetzt bei jemandem Depressions-Symptome zeigen oder nicht? Gibt es auch andere Faktoren, die eine Depression begünstigen?

Um Antworten auf diese Fragen finden zu können brauchen wir Informationen. Synonyme für den Begriff Depression sind „Bedrücktheit, Niedergeschlagenheit, Bekümmertheit, Melancholie, Trübsal“. Depression wird auch als eine affektive Störung bezeichnet und beschreibt eine klinisch bedeutsame Veränderung der Stimmungslage.

Die Symptome einer Depression laut dem internationalen Klassifikationssystem ICD sind folgende: depressive, gedrückte Stimmung; „Interessenverlust und Freudlosigkeit; Verminderung des Antriebs mit erhöhter Ermüdbarkeit (oft selbst nach kleinen Anstrengungen) und Aktivitätseinschränkung; verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit; vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen; Schuldgefühle und Gefühle von Wertlosigkeit; negative und pessimistische Zukunftsperspektiven; Suizidgedanken, erfolgte Selbstverletzung oder Suizidhandlungen; Schlafstörungen; verminderter Appetit.“ Diese Symptome können Wochen bis Monate lang anhalten, daher ist Depression eine ernst zu nehmende Störung, zu dessen Behandlung professionelle Hilfe herangezogen werden sollte. An diesem Punkt ist es sinnvoll zu betonen, dass der normale Trauerzustand nicht mit Depression zu verwechseln ist.

Was sagt die Depression uns Muslimen? Was haben wir darunter zu verstehen? Dürfen wir denn überhaupt nicht trauern oder niedergeschlagen sein?

Aus den Lehren unseres Glaubens heraus wissen wir, dass wir in dieser Welt geprüft werden und dass manche dieser Prüfungen Trauer in uns auslösen werden.

Unser Prophet (sallallahu 'alaihi wa sallam) hat auch zahlreiche Schwierigkeiten erlebt und war traurig. Doch wie hat er seine Trauer ausgelebt und wie hat er sie bewältigt? Er ist nicht im Sumpf der tiefen Trauer und Emotionalität versunken, er hat seine Hoffnung auf Allah nie aufgegeben, er hat seine Verpflichtungen nicht aufgegeben oder sie vernachlässigt. Wenn Trauer das Gegenteil mit uns macht, dann müssen wir unseren Zustand hinterfragen.

An dieser Stelle ist es nicht angebracht zu sagen „ein Muslim sollte keine Depression bekommen“, stattdessen könnte man, so wie Saliha Erdim, sagen „wenn wir Muslime nach den Geboten von Allah und seinen Gesandten leben würden, würden wir keine [oder weniger] Depression bekommen“.

Dann sollten wir Muslime, die Depression bekommen, diese Situation als ein Signal wahrnehmen und uns hinterfragen, inwieweit wir nach den Lehren des Quran und der Sunnah leben und anschließen in diesem Rahmen Lösungen für unsere Probleme suchen.

Unser Schöpfer hat uns bestehend aus einer Seele und einem Körper ganzheitlich erschaffen. Wenn eins von beiden das Gleichgewicht verliert, wird auch das Gleichgewicht des anderen davon negativ beeinflusst. Deshalb ist es beim Auftreten von Depressions-Symptomen zu empfehlen, sich sowohl körperlich als auch psychisch vom Arzt, Psychologen und/oder Psychiater untersuchen zu lassen.

Körperliche Mangelerscheinungen, wie zum Beispiel Vitamin D-Mangel oder Störungen der Schilddrüsenfunktion können Depressions-Symptome wie Herzrasen, Unruhegefühl, Energielosigkeit etc. hervorrufen und somit eine Depression vortäuschen. Deshalb sollten zuerst organische Ursachen abgeklärt und wenn vorhanden beseitigt bzw. behandelt werden.

Neue Studien zeigen, dass auch die chemischen Substanzen, die bei der Verarbeitung von Nahrungsmitteln, Reinigungsmitteln und Kosmetik-Produkten benutzt werden und somit mit den Menschen in Kontakt kommen, Symptome einer psychischen Störung hervorrufen können. Es werden immer mehr Forschungen darüber betrieben, die darstellen, dass jede Substanz, die in die Darmflora gelangt, die Gehirnfunktion und somit die Psyche beeinflusst.

Heutzutage sind wir solchen Chemikalien ausgesetzt, die die Abwehrmechanismen von Körper und Seele (Psyche) abschwächen und sie aus dem Gleichgewicht bringen. Um das Gleichgewicht wiederherzustellen, wird wiederum auf chemisch zusammengesetzte Medikamente gegriffen. Somit gelangt man in einen Teufelskreis.

Doch die genetische Disposition ist nicht außer Acht zu lassen, wenn wir uns ansehen wollen, inwiefern das Ganze eine Depression auslösen kann. Während manche genetisch und von ihrer Beschaffung her eher dazu geneigt sind, eine Depression zu entwickeln, können andere „immuner“ dagegen sein, bzw. nicht so eine große Neigung aufzeigen. Auch in der Familie und in der nahen Umgebung erlernte Bewältigungsmuster vs. die erlernte Hilfslosigkeit sind Faktoren, die ebenso die Depression vorbeugen bzw. begünstigen können.

Wie es aus dem vorhergehenden Text zu erschließen ist, gibt es mehrere Faktoren, die eine Depression auslösen bzw. begünstigen können. Im nächsten Teil dieses Artikels wollen wir uns in Bezug auf die verschiedenen auslösenden Faktoren mit Lösungsansätzen befassen inshaAllah.

 

Lösungsansätze für Depression

Im letzten Artikel haben wir kurze Einblicke in das Störungsbild Depression und ihre auslösenden Faktoren gehabt. In diesem Artikel wollen wir uns verschiedene Lösungsansätze anschauen, die zur Besserung der Depression beitragen. Dabei ist es wichtig zu erwähnen, dass diese Lösungsansätze nur dann einen positiven Effekt auf das Befinden haben, wenn auch alle gesamtheitlich angegangen werden.
 
Zunächst sollte man sich von körperschädlichen Dingen wie Nahrungsmittel, die sich aus gesättigten und ungesättigten Fettsäuren zusammensetzen (Bsp. Fast Food, Frittiertes, etc.) fernhalten. Auch von Körperpflegeprodukten, Waschmitteln und Reinigungsmitteln, die chemische Schadstoffe beinhalten und der körperlichen Gesundheit schaden, sollten möglichst vermieden werden.
 
Danach sollte daran gearbeitet werden, das Immunsystem wieder zu stärken und bei Bedarf auf möglichst chemiefreie verstärkende und unterstützende Mittel gegriffen werden. Dafür könnte man sich bei der natürlichen Apotheke bedienen, die unser Schöpfer für die Menschheit zur Verfügung gestellt hat, d.h. man könnte die Naturheilkunde und die Sunnah-Heilmethoden zur Behandlung heranziehen. Hierunter ist zu erwähnen, dass unter anderem einige pflanzliche Kräuter und Tees als natürliche Psychopharmaka dienen und für die Behandlung der Depression herangezogen werden können.
 
Die verstorbene Naturheilmedizinerin Aidin Salih empfahl psychische Störungen durch Kombination von physischer und psychicher Behandlung anzugehen. In Bezug auf die physische Behandlung riet sie das Schröpfen und das Heilfasten, während sie für die psychische Behandlung das Lesen des Koran anriet, die eine Heilung für den Muslim darstellen soll („Und Wir offenbaren vom Qurʾān, was für die Gläubigen Heilung und Barmherzigkeit ist,..“, Al-Isra, 17:82).
Al-Balhi hat die psychologische Behandlung in innere und äußere Lösung aufgeteilt. 
Nach ihm bedingt die Niedergeschlagenheit einen Rat und eine Behandlung von außen, also eine psychologische Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Die innere Lösung sei dabei, dysfunktionale Gedanken und Bewertungen, die innerlich gemacht werden, zu hinterfragen und sie in ein positives Denkmuster umzuformen, was heute kognitive Umstrukturierung genannt wird. Wie die kognitive Umstrukturierung vollzogen werden kann, kann man entweder recherchieren und Anleitungen dazu raussuchen. Wer dies unter einer professionellen Betreuung machen möchte, sollte allerdings einen Psychologen aufsuchen. Denn es ist nicht ganz einfach, eigene festgefahrene und dysfunktionale Bewertungsmuster objektiv zu beurteilen und zu modifizieren.
 
Zudem können wir von unserem Propheten ﷺ, der sagte „Die Religion ist Rat“, lernen, wie wir schwierige und belastende Ereignisse bewerten, bewältigen und welche Maßnahmen wir dagegen ergreifen können. Wenn wir uns seine Handlungen ansehen, werden wir feststellen, dass er nicht auf beruhigende und das Gehirn und die Gedanken betäubende Mittel gegriffen hat, sondern die Probleme aktiv mit Rat, Bittgebeten, Gottesgedenken, Gottesdienste und mit Naturheilmethoden und natürlicher Medizin angegangen ist. 
In diesem Sinne hat man Maßnahmen ergriffen und anschließend die Hilfe und Heilung von Allah erhofft und man ist zufrieden gewesen, gleichsam wie das Ergebnis aussah. Denn es herrschte das Bewusstsein darüber, dass Krankheiten, die trotz Maßnahmen und Behandlung nicht geheilt werden konnten, eine Tilgung der Sünden und eine Prüfung für den Gläubigen waren. 
 
Wenn wir heutzutage alle Wege zur Heilung als legal und gut betrachten, zulassen, dass unser Bewusstsein eingedämmt und betäubt wird und sie in die Hände von Methoden und Leuten lassen, die fragwürdig sind, müssen wir uns die Frage stellen, ob wir uns die Hilfe tatsächlich von Allah erhoffen.
 
Nach der Sunnah zu leben ist ein Gottesdienst und Maßnahme für nahezu alle Krankheiten. Um ein paar Beispiele dafür zu nennen; wussten wir schon, dass das wach bleiben nach dem Morgengebet, also weniger schlafen einen positiven Effekt bis zu 70% gegen Depression hat? Wussten wir schon welchen positiven Effekt das Fasten und gesunde Ernährung auf die körperliche und psychische Gesundheit hat? Unser Prophet ﷺ riet bei Wut die Gebetswaschung zu vollziehen. Wussten wir, dass das Wasser die Anspannungen vermindert bzw. löst und auch einen positiven Effekt in Momenten der Panik Attacke hat? Und wussten wir auch schon, dass es in der Sunnah Bittgebete gibt, die in Trauermomenten gemacht werden können?
 
„Es sind jene, die glauben und deren Herzen Trost finden im Gedenken an Allah. Wahrlich, im Gedenken Allahs werden die Herzen ruhig.“ (Ar-Rad, 13:28)
Hier enden die Worte. Depression ist eine Störung, die mit Leidensdruck verbunden ist. Es löst innere Unruhe aus. Wenn die Herzen keine Ruhe finden, indem sie Allah gedenken, dann ist es an der Zeit, sich auf die Suche nach den Wegen zu machen, die zu dieser Ruhe führen. Das Leben ist ohnehin eine kurze Reise. Möge Allah uns die Wege dafür öffnen, unsere Reise mit innerer Ruhe zu vollziehen.